Nicole Schlautmann
Country Managerin Pfizer Corporation Austria
Nicole Schlautmann verantwortet mit der Pfizer Corporation Austria ein Unternehmen mit mehr als 220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie über 100 Medikamenten im Portfolio. Begonnen hat sie ihre Pfizer-Karriere im Jahr 2014, zunächst im Onkologie-Bereich, später als Verantwortliche für seltene Erkrankungen. Im Dialog mit MEDIALOG gibt Schlautmann Einblicke in die Zukunftsstrategie von Pfizer und spricht über die Bedeutung von Omnichannel-Marketing.
Starten wir das Interview mit einem Thema, das die letzten drei Jahre dominierend war und von dem eigentlich niemand mehr etwas hören möchte: Corona. Anfang September wurde bekannt, dass die EMA den adaptierten Corona-Impfstoff für neue Covid-Varianten zugelassen hat. Welche Erwartungshaltung hat Pfizer im aktuellen Stadium der nunmehrigen Epidemie?
Auch wenn die Pandemie vorüber ist, das Virus bleibt. Covid wird uns, ähnlich wie Influenza, noch weiter beschäftigen und vor allem in den Gesundheitseinrichtungen sicherlich auch in den nächsten Jahren Thema bleiben. Das Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf besteht für ältere Menschen und Personen aus Risikogruppen weiterhin. Pfizer ist und bleibt hier weiter verlässlicher Partner für das Gesundheitswesen.
Die Pandemie hat auch mit dem Unternehmen sehr viel gemacht. Wir haben gesehen, was alles mit „Lightspeed“ möglich ist – dies hat unsere Arbeitsweisen und Zugänge, ja unsere Mindsets, positiv beeinflusst. Diese Aufbruchstimmung ist bis heute spürbar.
Es ist ja nicht so, dass ich in meiner vorherigen Position als Business-Unit-Leiterin der Rare Diseases in Deutschland nichts von der Pandemie mitbekommen hätte. Für ausnahmslos alle Pfizer-MitarbeiterInnen waren die Pandemie-Jahre eine mehrfache Herausforderung: Das Unternehmen musste das operative Geschäft sicherstellen, denn PatientInnen brauchten auch und gerade in der Pandemie unsere Unterstützung, während ein Großteil der weltweiten Belegschaft ins Homeoffice geschickt wurde. Dazu kam die Herkules-Aufgabe, den Impfstoff zu entwickeln, herzustellen und zur Verfügung zu stellen. All dies hat die Pfizer Corporation Austria sehr gut gemeistert und ich durfte eine hervorragend aufgestellte Vertriebsniederlassung übernehmen.
Laut Unternehmensinformationen setzen Sie sich proaktiv für die digitale Transformation ein. Welche Strategie verfolgt Pfizer in Österreich und welche Vorgaben erhalten Sie international seitens des Konzerns?
Ohne eine umfassende Digitalisierungsstrategie wäre es Pfizer nicht gelungen, gemeinsam mit BioNTech den Covid-Impfstoff in Rekordzeit zur Verfügung zu stellen. Das Unternehmen hat aber lange vor Corona das Potenzial von digitalen Lösungen erkannt und Schritte und Maßnahmen in Richtung digitaler Transformation gesetzt. Es geht uns letztlich darum, die Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu nutzen, um das Leben von PatientInnen zu verbessern. Die größten Chancen liegen hierbei in der systematischen Datennutzung und -analyse, z.B. durch den Einsatz von Big-Data-Analysen sowie Methoden der künstlichen Intelligenz.
Ich bin überzeugt, dass es ohne die sinnvolle Nutzung von Gesundheitsdaten keinen medizinischen Fortschritt gibt. Gesundheitsdaten unterstützen maßgeblich den Erkenntnisgewinn bei Diagnose, Verlauf und Risikofaktoren von Krankheiten sowie die Entwicklung von Arzneimitteln. Denn die sichere Nutzung von anonymisierten und strukturierten Daten ist der Schlüssel für eine bessere Versorgung im Gesundheitssystem. Von der Diagnose bis zum besseren Verständnis von Risikofaktoren und der optimalen Behandlung von Erkrankungen bieten uns gut strukturierte Gesundheitsdaten die Chance, ein lernendes Gesundheitssystem zu entwickeln, welches nachhaltig medizinische Innovation vorantreibt und die Ergebnisse für die Menschen in Österreich verbessert.
Nehmen wir in Österreich und in Europa doch die Führung ein, um gesicherte Datensysteme aufzubauen, die hohe Ansprüche an Datenschutz erfüllen und dabei die großen Chancen von gut etablierter Datenverfügbarkeit und -analyse nutzen! In diesem Bereich liegt die Zukunft – diese werden wir als Organisation maßgeblich vorantreiben und aktiv an politischen und gesellschaftlichen Debatten teilnehmen.
„Erst durch die richtige „Verzahnung“ von Kontaktpunkten entsteht ein gutes Omnichannel-Konzept.“
Kommen wir von der Digitalisierung zu Print: In Deutschland hat die Arbeitsgemeinschaft LA-MED Kommunikationsforschung im Gesundheitswesen im August eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass Fachzeitschriften immer noch die Informationsquelle Nummer 1 für Ärztinnen und Ärzte sind. Fach-Websites kommen erst auf Platz 5. Was leiten Sie daraus für Ihren Mediamix und Ihre Digitalisierungsstrategie ab?
Letztlich geht es darum, die Kommunikations- und Informationsbedürfnisse der ÄrztInnen zu verstehen und bestmöglich abzudecken. Wir fokussieren uns auf den Mehrwert für unsere Zielgruppen und darauf, ihnen zum richtigen Zeitpunkt die für sie relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen – in der passenden Form und über den Kanal, den sie bevorzugen, Stichwort: Omnichannel-Ansatz. Service-Materialien für Ordinationen, Artikel und Anzeigen in Fachmedien oder Kongressbesuche haben hier nach wie vor ihren berechtigten Platz. Wir nehmen aber durchaus Offenheit und Bereitschaft bei MedizinerInnen wahr, digitale Medien und virtuelle Angebote wie Fachportale oder digitale Veranstaltungen zu nutzen. Erst durch die richtige „Verzahnung“ von Kontaktpunkten entsteht ein gutes Omnichannel-Konzept. Wir können zum richtigen Zeitpunkt jeder Fach-Person die von ihr benötigten Informationen auf die bevorzugte Weise zur Verfügung stellen.
Zum Abschluss eine persönliche Frage: Sie sind alleinerziehende Mutter einer 11-jährigen Tochter. Die Schule hat vor Kurzem wieder begonnen. Welche Tipps haben Sie für eine gelungene Work-Life-Balance?
Zum einen haben legen wir bei Pfizer großen Wert auf eine berufs- und lebensphasengerechte Unternehmenskultur und ein familienfreundliches Arbeitsumfeld. Ein Auszug unserer Maßnahmen: Wir bieten unterschiedliche, flexible Arbeitszeitmodelle an – die „New Ways of Working“ sind auch in der Pharmaindustrie angekommen. Eltern- und Altersteilzeit sind gelebte Praxis. Die Möglichkeit für Homeoffice versteht sich schon von selbst. Und diese Bemühungen tragen Früchte: Erst jüngst wurden wir auf der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu ausgezeichnet und gehören zu Österreichs familienfreundlichsten Arbeitgebern der Pharmabranche – übrigens das dritte Jahr in Folge!
Zum anderen habe ich das Glück, bei der Pfizer Corporation in Wien mit einem großartigen Team zusammenarbeiten zu dürfen, das versteht, unterstützt und Verständnis zeigt, wenn ich mal früher nach Hause muss oder Homeoffice mache. Ein gut organisiertes privates Umfeld gehört natürlich auch dazu.
Shortcut … kurze Begriffe, rasche Antworten:
Covid-19 … ist gekommen, um zu bleiben. Wir haben aber geeignete Mittel in der Hand, das Virus in Schach zu halten. Wir müssen sie nur nutzen.
Digitalisierung … hilft uns dabei, bessere und neue Medikamente zu entwickeln und diese schnell in die Hände derjenigen Menschen zu bringen, die sie benötigen. Das beginnt in der Forschung und geht über die Produktion bis hin zur Versorgung der PatientInnen.
Print … nach wie vor wichtigste Informationsquelle für ÄrztInnen.
Work-Life-Balance … gehört zu einer gesunden Lebensweise. Erholungsphasen sind wichtig für die Regeneration. Wie die aussehen, entscheidet jede/r selbst am besten.
Gesundheitskompetenz … Ich habe festgestellt, dass es in Österreich umfassende Bemühungen zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung gibt, das ist sehr erfreulich. Für uns als pharmazeutisches Unternehmen ist wichtig, dass alle Informationen, die wir PatientInnen zur Verfügung stellen (dürfen), so einfach und verständlich wie möglich sind. Ich gebe zu, hier besteht in der gesamten Branche Aufholbedarf – denken wir nur an die Gestaltung von Beipackzetteln.
Das Interview führte Philipp Schützl.