MEDIALOG im DIALOG mit…

Juni 2023

Neil Davidson
General Manager GlaxoSmithKline Austria

Neil Davidson leitet seit 2. April 2022 die österreichische Niederlassung des Pharmakonzerns GlaxoSmithKline (GSK). In seiner mittlerweile über 20-jährigen Karriere bei GSK war er zuvor unter anderem Global Marketing Director für Impfstoffe sowie Oncology Market Lead für die mid-sized Countries des europäischen Marktes. Im Dialog mit Medialog spricht der der Pharmamanager mit schottischer Abstammung über Herausforderungen in der Kommunikation bei Impfstoffen, gibt Einblicke in sein Cambridge-Studium, erzählt von Employer-Branding-Maßnahmen und verrät, ob er englischen Pubs oder österreichischen Kaffeehäusern mehr zugetan ist.

Sie haben in Cambridge studiert, waren in Belgien Global Market Lead für Impfstoffe und verantworteten den Onkologie-Bereich der europäischen mid-sized Countries von GSK. Was hat Sie nach Wien verschlagen?

Es war eine professionelle und persönliche Entscheidung. Einerseits wollte ich schon seit Längerem Geschäftsführer werden und nach 20 Jahren sah ich die Möglichkeit, meine Erfahrungen einzubringen, da ich in allen Therapiegebieten von GSK gearbeitet habe. Ich hatte verschiedene Positionen inne – Sales, Marketing, Business Unit Head, Rollen auf regionaler und globaler Ebene und so weiter. Die Geschäftsführung war für mich also eine perfekte Zusammenfassung aller vorherigen Positionen. Andererseits betrachte ich Wien als großartigen Ort, um erstmals Geschäftsführer zu werden. Österreich ist klein genug, um den Job wirklich gut zu lernen, aber groß genug, um etwas zu bewirken. Außerdem kannte ich Österreich aus meiner letzten Rolle und habe es als innovationsfreudigen Markt wahrgenommen. Aus persönlicher Sicht empfinde ich Wien als wunderbar, da ich meine Deutschkenntnisse, auch in beruflicher Hinsicht, weiterentwickeln wollte und ich finde, dass die österreichische Kultur und die schottische Kultur gut zusammenpassen. Dazu gehört auch eine gewisse Art von Humor. Man sollte sich nicht die ganze Zeit zu ernst nehmen und Spaß an der Arbeit haben. Außerdem ist Wien weltbekannt als Kulturstandort und als best place to live. Und die Schönheit Österreichs hat mir den Atem geraubt, v. a. die Berge und Seen zu allen Jahreszeiten.

War es anfangs schwierig, österreichisches Deutsch zu verstehen?

Ab und zu schon. Ursprünglich habe ich Deutsch in Hamburg gelernt, wo es komplett anders gesprochen wird als in Tirol, Kärnten oder Wien! (lacht) Aber gut, neue Worte zu lernen macht eine Sprache und das Leben interessant.

Sie meinten vorhin, dass Sie schon länger Geschäftsführer werden wollten und dass Österreich klein genug ist, um das Handwerk des Geschäftsführers zu lernen. Gibt es bereits ein weiteres Ziel? Ist Österreich vielleicht das Sprungbrett für die Übernahme der Geschäftsführung eines größeren Landes, wie beispielsweise Deutschland oder England?

Zwei ehemalige GSK-Österreich-Geschäftsführer sind später Geschäftsführer in Deutschland geworden. Das zeigt also, dass das durchaus ein Weg sein kann, aber schauen wir mal. Aktuell bin ich gern in Österreich und sehe ich mich noch nicht nach meinem nächsten Job um.

Wenn man eine lokale Niederlassung eines international tätigen Konzerns übernimmt, worauf gilt es zu achten – persönlich, fachlich, kulturell?

Das ist eine sehr gute Frage! Ich musste aus beruflichen Gründen bereits fünfmal umziehen. Damit hatte ich sicherlich einen Vorteil, da ich mit der Erfahrung gut vorbereitet war. Man muss sich darauf einstellen, dass das Leben für einige Zeit auf den Kopf gestellt wird – vom Finden einer Wohnung bis zur Einrichtung eines neuen Bankkontos. Auch kleine Dinge brauchen anfänglich viel Zeit. So viel zum Persönlichen. Fachlich geht es jedes Mal darum, einen neuen Job zu lernen. Wenn du in der Geschäftsführung bist, sind die Erwartungen von Anfang an sehr hoch und die Lernkurve ist sehr extrem. Da ich seit 20 Jahren unterschiedliche Positionen bei GSK innehatte, sind mir viele Bereiche und Prozesse glücklicherweise vertraut, was enorm hilft. Ich war davor in Europa für die mid-sized Countries zuständig und Österreich war mein größter Markt. Das heißt, dass ich sowohl das Gesundheitssystem als auch das Team kannte. Gerade auf dieses Team kann ich mich verlassen und es hat mir bei der Einarbeitungszeit sehr geholfen. Zum Kulturellen: Ich wusste nicht, wie wichtig Titel in Österreich sind. (lacht) Das musste ich erst lernen. Es hat mir gezeigt, dass man nicht alles wissen kann und man immer offen für Neues sein sollte. Fehler zu machen gehört dazu und ist Teil der spannenden Reise eines solchen Jobs.

 

„Es ist unerlässlich, dass Führungskräfte nicht nur mit netten Worten und Fähnchen herumwedeln, sondern vor allem Taten sprechen lassen.“

Vor Kurzem haben Sie am Podium einer Veranstaltung des Pharma Marketing Club Austria teilgenommen, in der es darum ging, was die Marketer-Talente der Zukunft benötigen. Was brauchen Talente der Zukunft und was war Ihnen am Start Ihrer Karriere wichtig?

Ich glaube, dass einige Dinge für uns alle gleich wichtig sind, nicht nur für die Talente der Zukunft – nämlich der Wunsch nach einer spannenden und erfüllenden Karriere mit einer sinnvollen Arbeit, in der man sich weiterentwickeln kann. Die Pharmabranche ist einer der besten Orte, um das zu tun. Es geht darum, komplexe Probleme zu lösen. Wenn man das schafft, profitieren Patientinnen und Patienten von neuen Behandlungen. Ein besseres Gefühl als das gibt es, aus meiner Sicht, nicht. Was ich bei den kommenden Generationen allerdings stärker wahrnehme ist, dass Sie – aus meiner Sicht zurecht – höhere Erwartungen haben bezogen auf Nachhaltigkeit, Vielfalt und Work-Life-Balance. Ich freue mich, dass GSK hier eine Vorreiterrolle einnimmt, beispielsweise bei der Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen, bei Diversität und Inklusion oder auch mit einer flexiblen Arbeitspolitik. Für mich persönlich war damals Folgendes genauso wichtig wie heute: Mentoren zu haben, die an mich glauben. Menschen, die Klarheit über meine Stärken und Entwicklungsbereiche haben. Das sind beispielsweise General Manager von anderen größeren Märkten.

Sie haben nun Worte wie „Diversität“ und „Inklusion“ verwendet. Diese beiden Begriffe finden sich – wie auch „Fairness“ – auf der internationalen Website von GSK wieder. Vor allem wenn es um Employer Branding geht, stößt man immer wieder auf diese drei Begriffe, die oftmals nicht mehr als reine Schlagwörter sind. Daher die Frage: Was macht GSK in Österreich ganz bewusst, um Diversität, Fairness und Inklusion zu leben?

Ich persönlich mag den Begriff „Employer Branding“ nicht. Er suggeriert eine Art des Marketing. Für mich allerdings geht es darum, wie wir Dinge bei GSK tatsächlich tun und wie wir darüber sprechen. Wie läuft es also bei GSK? Es müssen Aktionen sein und keine reinen Schlagwörter! Unser CEO Emma Walmsley ist hier federführend daran beteiligt. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn man sich ausgegrenzt fühlt, weswegen ich mich selbst stark dafür einsetze, dass man bei GSK wirklich authentisch sein kann am Arbeitsplatz. Bei einer kürzlich durchgeführten Umfrage in unserem Team, kam heraus, dass 95 Prozent das Gefühl haben, bei GSK sie selbst sein zu können. Es ist daher unerlässlich, dass Führungskräfte nicht nur mit netten Worten und Fähnchen herumwedeln, sondern vor allem Taten sprechen lassen. Ich habe erst dieses Jahr einen „Diversity Council“ gegründet, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unser Unternehmen mitgestalten können. Außerdem ergreife ich Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion, wie beispielsweise, dass Elternurlaub für alle Geschlechter auf 18 Wochen angehoben wird – und das als eines der ersten Unternehmen Österreichs. Wir führen Instrumente ein, die Frauen fördern, um in Führungspositionen zu kommen. Wir unterstützen externe Aktivitäten, so werden wir z.B. in ein paar Wochen das Linz-Pride-Event unterstützen.

Sie meinten zu wissen, wie es ist, ausgegrenzt zu werden. Was meinen Sie damit?

Ich bin selbst Teil einer Minorität. Ich bin LGBT und habe Erfahrungen damit gemacht, wie es ist, wenn man nicht vollständig inkludiert ist. Es hat viele Auswirkungen. Man hat das Gefühl, nicht seine volle Leistung erbringen zu können, weil man viel Energie verliert, wenn man nicht authentisch sein kann. Ich möchte nicht, dass irgendjemand anders dieses Gefühl hat, das ich von früher kenne. Daher war ich sehr stolz auf das Ergebnis unserer Umfrage, die wir bei GSK durchgeführt haben. Wir sind auf einem guten Weg, weil wir bei GSK Diversität, Vielfalt und Inklusion leben. Darauf bin ich wirklich sehr stolz.

„Jeder hat ein Recht darauf, vor Infektionskrankheiten geschützt zu werden – unabhängig vom Alter!“

GSK ist in den Therapiegebieten HIV, Onkologie, Atemwegserkrankungen und Impfstoffen tätig. Durch die Corona-Pandemie sind Impfstoffe zwar in aller Munde, allerdings nicht immer im positiven Sinne. Was bedeutet das für die Kommunikation? Wie sollte eine Firma aufgestellt sein, um erfolgreich im Impfstoff-Bereich zu kommunizieren?

Ich würde die Frage gerne etwas anders aufgreifen. Einer der besten Vorteile eines ausländischen General Managers ist der, dass man eine Vorstellung davon hat, wie Dinge anders funktionieren können. Als ich nach Österreich gekommen bin, hat mich Folgendes am meisten überrascht: Der Mangel an Investitionen in die Prävention, insbesondere was lebenslange Impfungen betrifft. Österreich ist weltweit dafür bekannt, ein führendes Gesundheitssystem zu haben, aber in dem Bereich klafft eine deutliche Lücke. Der erstattete Impfplan hört meist bei Erwachsenen auf, obwohl es eine klare klinische Empfehlung dafür gibt. Aktuell gibt es eine kleine Dynamik, das zu ändern, was mich sehr freut. Ich hoffe, dass sich das positiv weiterentwickelt, denn jeder hat ein Recht darauf, vor Infektionskrankheiten geschützt zu werden – unabhängig vom Alter! Wir als Firma tragen dazu bei, indem wir einerseits Fachkräfte aus dem Gesundheitspersonal zum Thema schulen und andererseits Kampagnen zur Aufklärung der Öffentlichkeit durchführen. Der Part der Regierung, nämlich ins lebenslange Impfen zu investieren im Gesundheitssystem, ist allerdings sehr wichtig und würde viel ändern – auch in der Wahrnehmung des Wertes von Impfstoffen.

Kommen wir von GSK zu Ihnen persönlich: Wie sehr hat Sie Ihr Cambridge-Studium auf Ihre Karriere vorbereitet? Wenn man Cambridge, Oxford oder Stanford hört, klingt das wahnsinnig schillernd. Was steckt wirklich dahinter?

Ich habe gelernt, mit Tempo zu arbeiten. Das liegt daran, dass Cambridge-Semester acht Wochen lang dauern. Danach muss man seine eigene Forschung betreiben. Das bedeutet, dass man seine gesamten Studienarbeiten in einem sehr kurzen Zeitfenster abschließen muss. Das wiederum heißt, dass man lernen muss, sehr schnell auf ein Ergebnis hinzuarbeiten. Ich würde sagen, dass das schon eine gute Vorbereitung auf die Geschäftswelt ist. Was ich auch gelernt habe: Eine Position zu entwickeln und sie zu verteidigen. In Cambridge hast du kleine Klassen mit Experten auf Ihrem Gebiet. Dort musst du deine Ansichten zu einem Thema entwickeln und bereit dazu sein, sie zu rechtfertigen. In kleinen Klassen gibt es keinen Platz, sich zu verstecken. Auch das empfinde ich als gute Ausbildung für die Geschäftswelt. Das Wichtigste aus meiner Cambridge-Zeit ist aber wahrscheinlich, dass man ein Verständnis für unterschiedliche Perspektiven entwickelt. Tagsüber lernst du mit deinen Kurskameraden, aber im College lebst du mit Studierenden aus allen Fächern zusammen. Ich habe Sprachen studiert, meine Freunde waren Ärzte, Ingenieure, Ärzte, Mathematiker, Wirtschaftswissenschafter, Anwälte und so weiter. Das hat in mir eine Neugierde auf die Welt geweckt. Ich habe Menschen kennengelernt, die nicht nur zu den besten in Großbritannien zählen, sondern zu den besten der Welt. So hat Diversität für mich begonnen. Wir sind unterschiedliche Personen in verschiedenen Berufen, tragen aber dieselben Werte in uns.

Zum Abschluss eine persönliche Frage: In Großbritannien ist die Pub-Kultur zu Hause, in Österreich die Kaffeehaus-Kultur. Was sagt Ihnen mehr zu?

Schwierige Frage. Ich bin offen für beides. Mein Lieblingspub „The Fox“ ist in London, das ich jedes Mal gerne besuche. Es geht nichts über ein gutes englisches Pub, wenn es darum geht, sich gemütlich und „zu Hause“ zu fühlen. Die Kaffeehäuser in Wien liebe ich allerdings auch, auch wenn ich selbst kein großer Kaffeetrinker bin. Mein Team lacht mich immer aus, weil ich britische Teebeutel von zu Hause ins Büro mitbringe. (lacht) Aber: Die Auswahl an Mehlspeisen und Kuchen in Kaffeehäusern macht das mehr als wett! Ein Lebensmotto von mir lautet: „Sag niemals Nein zu Schokolade.“ Mit einer Sachertorte bin ich also gut versorgt.

Shortcut … kurze Begriffe, rasche Antworten:

Diversität … lebt bei GSK.

Impfungen … wären in Österreich auch für Erwachsene gut.

Cambridge … good times.

Führung … impact.

Ausbildung … ist die Basis für alles.

Talent … bringt das Beste von allen zusammen.

 

Das Interview führte Philipp Schützl.

Kommentar

Teilen